24/09/2025 0 Kommentare
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# Glaubensfragen

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"Mehrere hundert Besucher demonstrierten einmal mehr die enge Verbundenheit der Bürener Bevölkerung mit der inzwischen selbstsändigen Kirchengemeinde" (Neue Osnabrücker Zeitung am 24. August 1978)
So schreibt es die NOZ in einem Artikel über das "erste Gemeindefest der Friedenskirche Wersen-Büren". Tatsächlich war diese Kirchengemeinde als eigenständige Körperschaft erst 7 Wochen alt. Am 1. Juli 1978 wurde die Trennung des Pfarrbezirks Büren von der Kirchengemeinde Wersen vollzogen und rechtskräftig. Das Leben der Kirchengemeinde war "klassisch die 1970er Jahre". Es gab viele Menschen, vor allem auch viele junge Menschen. Die soganannten Babyboomer waren da, auch in der Kirche. So heißt es in dem Zeitugsartikel weiter: "Einen besseren Einstand hätte sich das Team um Pastor Klaus-Heinrich Panka kaum wünschen können. In Büren wurde am Wochenende ein Gemeindefest durchgeführt, das in eindrucksvoller Weise die bemerkenswerten Aktivitäten in der Friedenskirche widerspiegeln. Auswärtige Besucher zeigten sich vor allem über die vollständige Identifikation aller Altersgruppen mit der kirchlichen Gemeinde überrrascht." Zweifsllos war auch das nur eine Momentaufnahme des Jahres 1978. Diese Identifikation (fast) aller Altersgruppen mit ihrer Kirchengemeinde ließ sich nicht auf Dauer stellen. Der Artikel schließt mit folgenden bemerkenswerten Worten: "Über die Zukunft der Kirchengemeinde Wersen-Büren, die untrennbar mit der Bereitschaft der Bevölkerung zur Mitarbeit verbunden ist, braucht man sich nach den Eindrücken des Wochenendes keine Sorgen mehr zu machen."
48 Jahre später hat sich die Lage der Kirche und der Kirchengemeinde Wersen-Büren vollends verändert. Lebten Ende der 1970er Jahre noch viele Evangelische in Büren, hat deren Zahl seither kontinuierlich abgenommen. Der größte Teil der Menschen, die in Büren leben, hat inzwischen keine Konfession mehr und gehört keiner Kirche mehr an. Wenn die evangelische Kirchengemeinde Wersen-Büren eine Zukunft hat, dann nur als eine "qualifizierte Minderheit" von wenigen Hundert Menschen. Alleridngs müßten auch die der Kirche verbunden bleiben und gelegentlich zur Mitarbeit bereit sein. Oder wenigstens zum Mitfeiern: nicht einmal im Jahr ein Gemeindefest, sondern immer wieder sonntags den Gemeinde-Gottesdienst.
Pastor Panka war im Sommer 1978 28 Jahre jung und befand sich "im Hilfsdienst". So hieß damals die erste Zeit nach der Ausbildung. Er war zum 1. April 1977 nach Büren gekommen und machte seinen Verbleib in der Gemeinde von der Selbstständigkeit abhängig. Nachdem die Gemeinde am 1.7.1978 selbständig geworden war, wählte ein Bevollmächtigten-Gremium Pastor Panka im Januar 1979 zum Pfarrer. Die ersten Presbyterwahlen fanden im Frühjahr 1980 statt. Es war ein Schock für die Gemeinde, als Pastor Panka zum Sommer 1980 seinen Abschied aus der Kirchengemeinde bekannt gab. Er wechselte nach Warendorf, wo er nach den Sommerferien 1980 eine Schul-Pfarrstelle antrat. In Büren war im Juli 1980 Pastor Heinz-Alfred Frey ins Pfarrhaus eingezogen. Er kam aus Dortmund und war zunächst "auf Probe" in Büren. Im Januar 1981 wurde er dann in die Pfarrstelle dieser erst zwei-einhalb Jahre alten Gemeinde gewählt. Er bleib dann 5 weitere Jahre bis September 1986. Dann übernahm Pastor Reinhard Wahle die Pfarrstelle vom 1. Juni 1986 bis zum 31. Dezember 1996. Ich wurde sein Nachfolger und ebenfalls am 1. Juni eingeführt - nun aber schon 1997. Seit über 28 Jahre bin ich auf einer halben Pfarrstelle Pastor in Büren. Wasd die Zukunft angeht, zeichnen sich bereits jetzt wichtige Veränderungen ab, die unter dem Stichwort "Nachbarschaft" sich bündeln lassen. Die 5 Kirchengemeinden Lotte, Wersen, Wersen-Büren, Westerkappeln und Tecklenburg gehen auf ein gemeinsames Pfarrteam zu. Wohl ab 2023 werden dann nur noch 2 Pastoren für diese 5 Kirchengemeinden zuständig sein.
Der Heilige Geist aber wird wohl auch in Zukunft wehen und Menschen für den christlichen Glauben und die evangelische Kirche gewinnen - so jedenfalls die Hoffnung.
"wußten Sie schon..., daß die Zahl der Presbyterstellen in unserer Gemeinde nur noch 6 beträgt, da wir unter 2000 evangelische Gemeindeglieder zählen?"
Das ist keine aktuelle Meldung, sondern das lese ich im Gemeindebrief der Ausgabe 2/1994. Ist also 30 Jahre her. Den Gemeindebrief damals haben Käthe Eberhard, Gerd Winter, Pfarrer Reinhald Wahle und Vikar Martin Obst herausgegeben. In derselben Rubrik findet sich der Hinweis, "daß Vikar Marti Obst im November seinen Examens-Vortrag bei einem "Offenen Abend" hält. Zur selben Zeit war ich Vikar in Gelsenkirchen-Heßler. Martin und ich waren im selben Vikariatskurs "Christopherus". 3 Jahre später war ich dann verantwortlich für die Ausgabe 2/1997 des Gemeindebriefes. Die Presbyterinnen und Presbyter damals, Bärbel Bublies, Bärbel Harig, Gertraut Tobüren sowie Horst Kletke, Egon Sparenberg und Gerd Winter hatten mich im März 1997 zum Pastor der Kirchengemeinde Wersen-Büren gewählt. Am 1. Juni 1997wurde ich in die Pfarrstelle von Superintendent Hans-Werner Schneider eingeführt. Seither feier ichSonn- und Feiertags in der Friedenskirche Gottesdienst. Und bin erfüllt von großer Dankbarkeit über den Weg, den Gott mich geführt hat in den letzten 60 Jahren. Zuweilen kommt die Frage auf, bis wann ich noch Pastor in Büren sein werde... Niemand kann das sicher sagen. Aber der geplante Eintritt in den Ruhestand ist mit 67 Jahren - das wärezum 1. März 2032. So Gott will und ich lebe!
"Historisch betrachtet ist Büren mit seinen aktuell 4567 Einwohnern der jüngste Ortsteil der Gemeinde Lotte und entstand in seiner heutigen Form ab 1950"
heißt es in der Anzeigen-Sonderveröffentlichung "50 Jahre Gemeinde Lotte" im Wochenblatt vom 29. August 2025 auf Seite 16. Die Geschichte ist zum großen Teil bekannt. Zwischen 11 bis 18 Millionen Deutsche waren 1945/46 auf der Flucht (oder wurden vertrieben). Sie zogen aus den ehemaligen "Ostgebieten" des Deutschen Reiches gen Western und suchten eine neue Heimat. Da viele Menschen bei den Klöckner-Werken in Osnabrück Arbeit fanden und sie Wohnraum brauchten, brachte der kaufmännische Direktor von Klöckner, Richard Eberlein, die ehemaligen Klärteiche der Zeche Piesberg ins Gespräch. Ab 1. Juni 1950 entstand entlang der Schlesischen Straße und der Ostlandstraße in mehreren Bauabschnitten die "Siedlung Büren". Im Osten grenzte "die Landwehr"-straße und der Westfalenplatz mit Ernst-Lück-Platz die Siedlung Richtung Osnabrück ab und im Westen bildete die Richard-Eberlein-Straße einen ersten baulichen Abschluß. Westlich davon entstand dann die gemeindliche Infrastruktur der Aufbaujahre: 1954 zog die Alte Schule in den neuen Ortskern um und firmierte als "Evangelische Volksschule". Das ist ein Hinweis darauf, dass viele der Siedler aus Ostpreußen und Schlesien evangelisch waren. Dem entsprechend wurde im Weserner Presbytrerium bereits 1953 über den Neubau einer Kirche für den Bezirk beraten. Die Umsetzung der Überlegungen erfolgte nur ein Jahr später, als am 12. September 1954 der Grundstein für die neue Kirche an der Bergstraße gelegt wurde. Am 4. Dezember 1955 wurde die Friedenskirche in Gebrauch genommen. Zur Eröffnung kam der damalige Präses der westfälischen Kirche, Ernst Wilm, nach Büren. Die rasante Entwicklung dieses jüngsten Ortsteils der Kommune Lotte wird im Artikel nachgezeichnet. Am 26. September 1975 wurde die "Elly-Heuss-Begegnungsstätte eingeweiht. Zuvor war im Jahr 1969 der kommunale Kindergarten am Piesberger Weg errichtet worden. Und am 21. September 1979 wurde "der Bürgerpark eingeweiht". Man sieht: die 1970er Jahre waren (Bau)-Boom-Jahre.
Auch die "kirchliche Infrastruktur" wurde ausgebaut. Als die Boomer - also die Jahrgänge 1955 vis 1970 (heute 30 % Anteil an der Bevölkerung) - ins Leben drängten, wurden die Räumlichkeiten der 1950er Jahre zu klein. Der Gemeindebezirk Büren hatte Anfang der 1970er Jahre ca. 2300 Gemeindeglieder. Deshalb wurde 1973/74 das Gemeindehaus erweitert und im Oktober 1974 eröffnet. Zuvor war in Büren an der Bergstraße 1967 das Pfarrhaus errichtet worden. Während Pastor Anton Knoop die 13 Jahre von 1954 bis 1967 anfangs mit dem Moped, später mit dem legendären hellblauen Käfer aus Hellern in Büren zum Dienst "anreiste", kommte Pastor Liebau als erster Pfarrer in Büren das neu errichtete Pfarrhaus beziehen. Es folgten die Pastoren Sxchwegmann (1972 bis 1975), Glindmeier (Pastor im Ruhestand aus Leeden in Verrtretung 1976), Klaus Heinrich Panka (1977 bis 1980), Heinz-Alfred Frey (1980 bis 1986) und Reinhard Wahle (1987 bis 1996). Der letzte Pastor, der im Pfarrhaus an der Bergstraße wohnte, war ich selbst (1997 bis 2010). Mehr als die Hälfte meines Dienstes in Büren wohne ich nicht mehr in Büren, sondern komme wie Pastor Knoop zun Dienst angeradelt.
Von den knapp 4600 Einwohnern Bürens sind noch gut 1200 evangelische Kirchenmitglieder (nur solche werden als Christen "gezählt"). Ihre Zahl nimmt kontinuierlich und unaufhaltsam ab. In den nächsten Jahren wird darum ein Rückbau der kirchlichen Infrastruktur anstehen. Wenn die Kommune Lotte und die AWO nicht seit Spätsommer 2024 die Räume angemietet hätte für soziale Aktivitäten, wären die Bagger wohl schon gerollt und hätten das energetisch nicht mehr zeitgemäße Gemeindehaus aus den 1970er Jahren abgerissen - oder "rückgebaut", wie man heute gerne verschleiernd sagt, um das häßliche Wort "Abriß" zu vermeiden.
Schon heute zeichnet sich ab: Wenn ich 2032 in den Ruhestand gehe, wird es keine Pfarrstelle (auch keine halbe, die ich seit 1997 innehabe), mehr geben. Allenfalls ein Dienstanteil wird verbleiben, der von den beiden Pfarrstellen der Nachbarschaft, die die Kirchengemeinden Wersen-, Wersen-Büren, Lotte, Westerkappeln und Tecklenburg umfaßt, wird verbleiben. Das Presbyterium bereitet sich heute schon darauf vor, die Kirche als Standort zu erhalten. Das ist jedenfalls der erklärte Wille und die Absicht und das Ziel. Ob es erreichbar ist, hängt nicht zuletzt von jedem einzelnen Christenmenschen ab: von den evangelischen Gemeindegliedern in Büren. Bleiben sie ein Glied der Kirche oder treten sie aus. Wenn sie der Kirche "den Rücken kehren", braucht es keine Kirche mehr. Dann können wir "zumachen". Interessierte können dann das Evangelium in den noch"betriebenen" Kirchen im nahen Osnabrück vernehmen und sich dort einer Kirchengemeinde anschließen. Oder eben sich Richtung Westen orientieren: nach Wersne oder Westerkappeln. Das wird die Zukunft zeigen. Heute feiern wir Gottesdienst - gemeinsam Katholiken ud Protestanten an der Mühle Bohle aus Anlaß des 50-jährigen Bestehens der Kommune Lotte - als Frucht der kommunalen Gebietsreform der 1970er Jahre.
"der Zug ist ja fast leer. Ich hätte ihn voller erwartet."
So sagte heute ein fünfjähriger Junge auf dem Bahnhof in Gütersloh. Das ist also nur im übertragenen Sinne "aufgelesen" - eher aufgeschnappt. Es gehört also in den Bereich der mündlichen Überlieferung. Ich habe mich trotzdem über den Ausspruch gefreut. Er stieg dann in Brackwede mit seiner Mutter aus. Ich fuhr bis Bielefeld weiter und stieg in den Zug nach Hengelo.
Der konnte den Bahnhof nicht verlassen, weil "sich eine Person im Gleisbett" aufhalte, wie der Zugführer netterweise durchgab. Vorm ir saß ein älterer Herr, der nur bios Herford fuhr, aber immer wieder sagte: "Meine Herren! Katastrophe. Mein Gott. Es ist zum Kotzen!" Er sagte das die Wartezeit plus die Fahrzeit von 13 Minuten nach Herford, also etwas 33 Minuten. Der kleine Junge, der alte Mann. Eindrücke aus einer Stunde Bahnfahren und "auf's Maul schauen".
Als ich in Osnabrück ausstieg, erzählte ein Mitreisender, die Menschen im Gleisbett seien die Flaschen-Sammler, die die Abfall-Eimer bis zum Ende des Bahnsteigs kontrollieren und die Fladchen sammlen und sich dann für die Abkürzung direkt über die Schienen entscheiden, um auf den anderen Bahnsteig zu kommen. Deshalb habe der ausfahrende regionalzug auf dem Nachbargleis kurz nach der Anfahrt wieder eine Vollbremsung gemacht. Das hatte ich auch noch nicht gehört. Das könnte allerdings eine zusätzliche Erklärung für die vielen Zugverspätungen am Tage davor sein. Ich war Richtung Wuppertal unterwegs, hin und zurück an Nachmittag und Abend - eine lange Reise ins NRW mit vielen spannenden Erlebnissen.
Die Bahnsteige waren sehr voll - genauer gesagt: oft überfüllt. Und immer die Ansage, warum der Zug Verspätung hatte; wegen der verspäteten Bereitsstellung des Zuges, wegen eine vorausfahrenden Zuges - und wenn man im Zug saß gab es immer wieder Wartezeiten wegen eines überholungsberechtigten Fernzugs. Mir ist ziemlich klar, dass das Netz total überlastet ist und die Konkurrenz zwischen Fern- und Regionalverkehr auf demselben Netz zu Frust auf allen Seiten führt. Solange die Netze nicht ausgebaut und entkoppelt werden, wird es keine Verbesserung und Entspannung geben. Zugfahren ist extren nervig, aufregend, frustrierend, leider auch unberechenbar. Aber ich bleibe der Schiene treu. Das ist mein Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung. Immerhin habe ich gestern Nachmittag und heute Morgen ein Drittel geschafft des Buches von Emmanuel Deutschmann über die "Exponentialgesellschaft". Daraus werde ich demnächst zitieren und ein paar Gedanken vorstellen. Sie sind atembraubend aufregend.
Christ werden wir doch nicht, weil wir etwas aus uns machen, etwa einen erfolgreichen oder guten Menschen, sondern weil Gott etwas aus uns macht, nämlich ein Kind Gottes."
Das schreibt Reinhard Wahle im Gemeindebrief Ausgabe 1/1996, in seinem Vorwort. Es ist eine Meditation zu 1. Johannes 3,1, wo es heißt: "Seht, welche eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch." Am Ende seines Grußwortes schreibt er: "Gott ist bereit, ein neues Leben unter seinem Segen zu geben. Gott ist bereit, Kraft zu diesem Leben zu geben. Er ist für uns da und wird alles zum Besten wenden. Durch Jesus hat er uns zu Gottes Kindern gemacht, zu einem Menschen, der weiß, wo sein Zuhause ist, wo er hingehört, worauf er hoffen darf".
In derselben Ausgabe sind für das Jahr 1996 20 Konfirmandinnen und Konfirmanden ausgewiesen, die am 28. April 1996 konfirmiert werden. 30 Jahre später, Ende April 2026, werden es in Büren noch 4 Konfirmandinnen und Konfirmanden sein. Der "Wind des Wandels" hat unser Land erfaßt, auch unsere Kirchengemeinde. Mal sehen, was am Ende - sichtbar und strukturell - von der Bürener Gemeinde bleibt.
Eine kleine Arbeitsgruppe arbeitet an der Chronik der Gemeinde, die 2028 zum 50-jährigen Jubiläum erscheinen soll. Darin dann sicher auch die Jahre 1987 bis 1996, als Reinhard Wahle vom 1.6.1987 (Einführung durch Superintendent Wilkens) und 31.12.1996 (letzter Gotteseienst von ihm an Silvester) Pfarrer unserer Kirchengemeinde war. Danach ging Pastor Wahle als Militär-Pfarrer nach Minden. Über seine Arbeit als Pastor bei der Bundeswehr hat er später mal im Abendkreis berichtet.
"Die Hoffnung ist die Zukunftsdimension des christlichen Glaubens. Indem sie hoffen, beziehen sich Christinnen und Christen auf die morgige Wirklichkeit und die kommende Welt." Diese Hoffnung der Christen ist von weltlichen Zukunftsbezügen "zu unterscheiden, weil ihr weder erfahrungsbasierte Prognosen noch willentlich gebildete Handlungsentwürfe die Brücke zum Kommenden schlagen"
schreibt Henning Theißen in seiner Einleitung zur Hoffnung. (Henning Theißen, Glaube, Hoffnung, Liebe. Erträge der Theologie für Menschen heute, Gütersloh 2021, Seite 69). Hoffnunng ist ohne Gott und den Glauben an ihn nicht denkbar im Sinne einer substantiellen Begründung. Die Hoffnung bleibt ohne religiösen Bezug so vage, dass sie inhaltsarm als Prinzip dahindümpelt, verbunden mit der alltagspraktischen Weisheit: Die Hoffnung stirbt zuletzt".
Indem das Sterben (und damit einhergehend der Tod) der Hoffnung hier als Möglichgkeit im Raum steht, kann es keinen Zweifel geben, "dass Hoffnung sich vor allem vom Tod abesetzen muß, wenn sie ihren Namen verdient. (...) Religiöse Hoffnung ist ihrem Begriff nachg Hoffnung über den Tod hinaus und durch ihn hindurch, wie z.B. in den Urkunden der frühchristlichen Religion unmißverständlich unterstichen wird." (Seite 79) Anders gesagt: Ostern und die Auferweckung Jesu con den Toten ist der "Grund der Hoffnung". Theißen weiter (Seite 97): "In einer erzählbaren eigenen Identität oder Lebensgeschichte (der Gläubigen, die als Sünder dem Tod geweiht sind, zu Gottes Kindern, die zum Leben bestimmt sind) spiegelt sich die Hoffnungsperspektive, die der Osterglaube auf den irdischen Jesus eröffnet, im Leben der Gläubigen selbst." In diesem Jesus "erkennen die Gläubigen die Wirklichkeit dessen, was sie für sich selbst erhoffen." Anders gesagt: Die christliche Hoffnung ist nicht vage, sondern sehr konkret und "anschaulich": Im Blick auf Jesus, der gestorben und aauferstanden ist, sehen wir unsere eigene Zukunft als Söhne und Töchter Gottes vor uns.
Es handelt sich bei den Schrumpfungsprozessen (in) der Kirche "nicht einfach um eine Frucht, die mangels Saft vor sich hintrocknet. Uns steht doch ein Glutwind entgegen, der Geist dieser Zeit mit seinem Konsumdenken, mit seiner Wissenschaftsgläubigkeit, voller säkularer Ideologien, mit viel Ablehnung auch alles Institutionellen, im Staat nicht weniger als in de Kirche."
Das sagt der Hamburger Bischof Hans Otto Wölber 1970 auf einer Synode, Nachzulesen in Hans Otto Wölber, Gesellschaft ohne Kirche?, hg von S. von Kortzfleisch u.a., Hanburg, Berlin 1970, Seite 8. Bereits vor 55 Jahren sieht er "die Aufgabe , neu zu definieren, in welchem Sinne wir Kirche für alle sind, , in welcher Weise also der grundlegende universale Gedanke des Kirchseins, begründet im Evangelium selbst, aus den alten Vorstelungen über die Volkskirche in die Zukunft hinein entwickelt werden kann." (S, 6). Wie sich die Fragen gleichen! Wölber sagte schon 1970: "Ich fürchte, daß die stellvertretenden gesellschaftlichen Dienstleistungen in der Kirche weit unterschätzt werden" (Seite 15). Wölber bezieht sich hier auf die soziale Infrastruktur, von Kindergärten (so hießen die Einrichtungen damals noch) über Pflegeheime und Krankenhäusern zu sämtlichen Angeboten der Diakonie. Wölber betont einen weiteren Aspekt im Verhältnis von Kirche und Gersellschaft: "Jedes Gemeinwesen muß ein vitales Interesse an praktischer Gemeinschaft haben. Viele klagen heute über geringe Bereitschaft der Menschen, sich ansprechen zu lassen und irgendwo Mitverantwortung zu übernehmen. Die Überflutung mit optischen Eindrücken (... und Unterhaltung, damals non TV und nicht social media und TikTok) auch die Informationsüberflutung, scheinen die Menschen ehe passiv zu machen und Kontakte zum Zwecke der gemeinsamen Lebensbewältigung und des notwendigengedanklichen Austauschs fast zu vernichten. (...) So weit ich nun in unseren Verhältnissen sehe, ist die Kirche eine einzigartige Triebkraft, die den Willen zur Gemeinschaft, zur Zusammenarbeit und Mitverantwortung jedenfalls ständig stimuliert." S. 21) Ich bin immer wieder überrascht, wie ähnlich die Wahrnehmung von Kirsensymptomen über die Jahrzehnte ist, wie wenig Fragestellungen sich ändern oder Problemanzeigen einer Lösung zugeführt werden. Wölber schließt seinen Vortrag 1970 so: "Nun, die Zukunft ist wirklich offen! Wir alle können unsere Betroffenheit nicht verschweigen. Höchste Wachsamkeit und die Absage an jeden Trott, aber auch an jede resignation, ist das Gebot der Stunde. Unsere Gedanken müsssen sich auf viele Möglichkeiten einstellen in der Gewißheit, daß unser Glaube immer Zukunft hat." (Seite 40)
(Im vorliegenden Buch wollen wir) "eine komplexe Argumentation entfalten, wonach es im Vergleich mit der heute vorherrschenden naturalistischen Sicht auf unsere Welt und unser Leben keineswegs unvernünftig ist, auf Gott zu hoffen."
Das schreibt ein Wissenschaftler aus Berlin, der selbst nicht gläubig ist, aber philosophiisch versiert. (Holger Tetens, Gott denken. Ein Versuch über rationale Theologie, Stuttgart 2015, Seite 7). Nach Tetens ist der Vergleich mit dem "Naturalismus entscheidend, , ist doch der Naturalismus heute der wichtigste Widersacher eines Gottesglaubens." (7) Der sogenannte "Naturalismus" ist dabei eine Weltanschauung, die selbst "religiös" ist und außerdem "total", die aber beides unter dem Mantel der Wissenschaftlichkeit verschleiert. So kommt es, das tief gläubige Naturalisten meinen, sie wären "ungläubig" und nicht religiös. Auf die Frage "Was glaubt ein Naturalist?"? (12) verweist der Autor auf Beckermann: "Die gesamte Realität besteht nur aus natürlichen Dingen; in der Realität gibt es weder Götter noch Geister noch Seelen noch andere übernatürlichen Mächte und Kräfte." Telens formuliert estwas vorsichtiger als ich: "Der Naturalismus folgt nicht aus den resultaten der Wissenschaften. Er ist selbst ein metaphysischePosition, indem er die Wissenschaft zur Metaphysik erhebt." (15)
Das Ergebnis dieses Gedankengangs zwischen zwei Buchdeckeln: "Zwischen Naturalismus" - also: es gibt nur Materie und nichts Geistliches und also keinen Gott und keine Götter - und Theismus (also den Glauben an einen Gott oder Götter) können wir in der Erfahrungswelt nicht endgültig entscheiden." (Seite 87). Eine Entscheidung über diese Frage ist also in dieser Welt unmöglich; sie ist einer (möglichen, vernünftigerrweise zu erhoffenden) Zukunft Gottes (wenn Gott nicht ist, gibt es für Menschen keine Zukunft) vorbehalten.
Die Kampflinien beschreibt Tetens abschließend so: "Natürlich ist der Gedanke, wir und die uns umgebende materiele Welt seien Geschöpfe Gottes, der u nbedingt unser und der Welt Heil will, kühnun d spekulativ.
Für die naturalistische Mehrhreit unter den heutigen Philosophen ist er indisktabel. Für hochst diskutabel halten sie dagegen den Satz: ' Wir Menschen sind nichts anderes als ein Stück kompliziert organisierter Materie in einer rein materiellen Welt.
Dieser Satz ist freilich ebenso wenig bewiesen wie der Satz über die Welt als eine Schöpfung eines Gottes, der uns Heil verheißt. (...Ja) der Satz: 'menschen sind nichts anderes als ein Stück Materie in einer rein materiellen Welt' ist selber kühn, (..) tollkühn, ist unbewiesen und unbeweisbar, ist existentiell betrachtet absurd, bereitet allergröße Schwierigkeiten, uns in seinem Licht als als vernünftige Personen begreifen zu können. Seine Botschaft ist durch und durch trostlos." (90) -
Das erklärte die erlebte Trostlosigkeit unserer Tage. Sie wäre das Produkt einer Philosophie, die als "wissenschaftlich" firmiertz und tatsächlich eine totalitäre Form von Religion ist. Deshalb ist "Religionskritik" das Gebot der Stunde und Voraussetzung dafür, dass die Menschheit nichts ins Absurchde und Trostlose abgeleitet.
Der Zusstand der Welt beunrugigt uns und erfüllt uns mit Angst.(...) Es ist wahr, die Menschen unserer zeit haben es mit einer schwierigen und drohenden Welt zu tun. Das ist ein Grund mehr, um sich entschlossen der tatsache bewußt zu sein, dass nur das Evangelium das Böse radikal an der Wurzel anpackt. Nur die frohe Botschaft drängt die Kräfte des Unheils und des Unrechts zurück. Nur sie kann der Welt die Gesundheit wiedergeben. Die Christen dürfen nicht abdanken; denn auf ihnen ruht die einzige Lebenhoffnung dieser Welt."
Das sagt Georges Casalis im Rahmen einer Bibelarbeit im französichen Lille am 19. Oktober 1958, abgedruckt in Casalis, Der mderne Mensch und die frohe Botschaft. Mit einer Einführung von Walter Lüthi, Basel ohne Jahr, Seite 154. Das Thema Hoffnung hat gerade Konjunktur. Jonas Grethlein hat ein Buch dazu herausgebracht. Bernd Stegemann widmet ihm ein großes Kapitel in seinem Buch über den Glaubensverlust. Und auch die jüdische Philosophon Eva Illou hat einer große Abhandlung zu diesem Stichwort. Offenbar geht uns fast 70 Jahre nach der Zustandbeschreibung der Welt von 1958 Mitt eder 20er Jahre des 21. Jahunderts zunehmend die Hoffnung aus. Manche setzen "ihre Hoffnung" auf die Digitalisierung und KI (Künstliche Intelligenz). Ob es tatsächlich klug ist, die Hoffnung auf Technik zu setzen, ist mir fraglich. Nein, tatsächliche kenne ich die Antwort: Es ist besser, die Hoffnung auf den "Gott der Hoffnung" (Titel eines Buches von Peter vonOsten-Sacken) zu setzen als auf die Technik als Gott. Ostern-Sacken schreibt (S. 431), dass Paulus als der berühmte Theologe der Hoffnung "die Gemeinde in ein zuglich distanziertes und engagiertes Verhältnis zur Welt einweist". Das zeichnet Christsein aus: Wir lebeb "in der Welt", aberr nicht "von der Welt". Wasuns als weltliche Hoffnung und Verheißung angeboten wird, ist für Christenmenschen sehr durchschaubar mindestens "unheilsschwanger" - also potentiell unheilvoll. Was mit dem "freien Netz" als großes Versprechen vor 20 Jahren begann, hat sich für viele zum Alptraum der Abhängigkeit und Gefangenschaft in Blasen entwickelt. Zu den "Gesetzen" der Öffentlichkeit "des Netzes" werden Christen auf Distanz gehen. Zugleich bleiben wie engagiert für eine Veränderung der Weltverhältnisse zum Positiven - aus dem Geist des Evangeliums heraus.
Im Römerbrief gibt Paulus konkrete Anwesiungen zum Leben in der Welt. "Die Anweisungen beider Kapitel resultieren aus dem für Weltbegriff und Weltverhältnis des Apostels grundlegenden im Christusgeschehen erfolgten Weltwende, die den Anbruch einer neuen Welt bedeutet, in die der Christ durch die Taufe eingegliedert ist". Das Doppelverhältnis von Distanz und Engagement gegenüber der Welt basieren also auf der "Grundlegung christlichen Lebens, wie sie der Gemeinde in der Taufe mit der Gabe des Geistes als Vorausgabe der kommenden Welt geschenkt ist." So umschließen die beiden Kapitel 12 und 13 des Römerbrefes "wesentliche Merkmale eines Lebens aus der Kraft der Zukunft oder auch (...(anders formuliert) - einer Ethik aus einer neuen Welt." (Peter von der Osten-Sacken, Seite 632)
"Evangelische Freiheit ist nicht dasselbe wie Ungebundenheit. (...) Evangelische Freiheit ist also nicht Freiheit, etwas Beliebiges zu glauben. Der rechte Glaube an Jesus entsteht auch nicht beliebig. Er wird von Gott durch das Wort und die Sakramente geschaffen. Ein evangelischer Christ ist ein Bibelchrist und ein Abendmahlschrist. Evangelische Freiheit ist nicht Freiheit, seine Gemeinde und seine Andacht aufzugeben, nicht Freiheit von Gebet und Kirchgang."
schreibt der schwedische Bischof Bo Giertz im Jahre 1949 in den "Sendschreiben an die evangelische Christenheit" (so der Untertitel von Giertz, Fundamente einer lebendigen Kirche, 2. Auflage Göttingen 1953, Neudruck Gießen 1995, Seitze 91/92). Seit urchristlichen Zeiten und in der Reformation des 16. Jahrhunderts erneuert ist für die Kirche (theoretisch) klar, dass sie an das Wort Gottes "gebunden" ist und (allein) in dieser Bindung frei wird. Praktisch traut sich die Kirche nicht, das öffentlich zu behaupten. Das führt dazu, dass evangelische Christen meinen, auf die Feier des Gottesdienstes verziochten zu können. Das hat uns in die Lage geführt, die wir gerade erleben: dass überall im Land die Räume für Gottesdienste, das sind traditionell die "Gotteshäuser" (bekannt als Kirchen) geschlossen werden. - Man darf gespannt sein, wie sich eine "christliche Kultur" oder "chirstliche Werte" entwickeln werden ohne das Vorhandensein einer christlichen Kirche. Kann sein, dass die säkularisierte Moderne hier mal ihre Lebenslügen aufgeben muß.
"Das Evangelum hat sich zu jeder Zeit auf den gottlosen Menschen bezogen, der sich in seiner weltumfassenden Einsamkeit reflektieren muß, der sich in einer absurden, sinnlosen Welt vorfindet - kurt: der sich im Kreuz erkennen kann"
schreibt Tom Kleffmann in seinen "Überlegungen zur Krise des Christentums", in dem Band "Welche Zukunft hat die Kirche?, Tübingen 2022, Seite 78. Ich weiß, was er meint. Gerade der Mensch, der einsam ist und die Sinnlosigkeit der Welt empfindet, ist für das Evangelium nicht verloren, im Gegenteil. Von daher bin ich gewiß: Wenn die Verheißungen der vielen Ersatzgötter den Hunger nicht (mehr) stillen und den Sinn nicht mehr stiften, wird das Evangelium seinen Dienst tun und Menschen gewinnen. Dann ist es gutm wenn Kirche noch da ist, damit sich die Wiedergefundenen zusammentun und Gott loben für das, was er an mir als dem echt "gottlosen Menschen" getan hat - wie er mein Unglücl gewendet hat.
"Die Kirche hat als Kirche Jesu Christi Zukunft, weil Jesus Christus Zukunft hat."
schreibt Heinricht Fries in seinem Beitrag in "Kirche ohne Zukunft?" (Gütersloh 1972, Seite 122) und hebt mit dieser Formulierung das Fragezeichen auf. Nichts in dieser Welt hat wirklich Zukunft - abgesehen von dem, der hinter dieser Wwelt steht, der "Himmel und Erde gemacht hat" und der "das Alpha und das Omega" ist, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.
Die Einschätzung der Lage 2025 (siehe das Interview von Pollack) und 1972 sind gar nicht so grundsätzlich verschieden. "Inzwischen ist ein unverkannebarer Rücklauf, ja Rückgang hinsichtlich der Bejahung, der Geltung und des Einflusses der Kirche (...) zu verzeichnen. (...) Es breitet sich in der Kirche gleichsam atmosphärisch Unruhe, Unsicherheit, Angst, Mutlosigkeit und Verzagtheit aus. Niemand weiß, wohin der Weg geht, niemand vermag überzeugende Antworten zu geben und Orientierung zu vermitteln." (123) Bevor Fries den oben fett gedruckten Satz bringt, bringt er menschliche Einschätzung zu Papier: "Das einst als 'Jahrhundert der Kirche' gepriesene 20 Jahrhaundert scheint zum Jahrhundert des Endes der Kirche zu werden. Die Zukunft der Kirche scheint eine Zukunft ohne Kirche zu sein."
Der evangelische Autor sieht es im selben Buch etwas anders, wenn er schreibt: "Die Kirche der Zukunft wird eine Kirche in der Diaspora sein. Auch darin liegt in ihrem Dienst für die Welt eine große Hoffnung." (90)
Joachim Beckmann vermag 1972 nicht abzusehen, "wie lange diese Volkskirchen noch leben werden", aber er gibt zu bedenken: "Es ist daher immer noch verfrüht, der Volkskirche das in Kürze bevorstehende Ende vorauszusagen. Ihre Existenzmöglichkeit hängt auch heute und morgen davon ab, ob die führende Schicht eines Volkes, die die Regierung in der Hand hat, die Kirche duldet oder sie auf irgendeine Weise bedrängt, um ihr das Leben zu nehmen." (90/91). Spannend, dass Beckmann dann auf den Osten zu sprechen kommt: "In den Staaten des Ostblock kann man das (die Bedrängnis) in mannigfaltigen Variationen sehen. Man kann nicht mehr von einer Volkskirche in Rußland sprechen" (91). Hier hat sich der Wind gedreht: Putin zeigt sich gern mit dem Moskauer Patriarchen. Die Moskau-Verbindung hat sich gar zum Alleinerben des wahrhaft Christlichen in der Welt erkannt. Und tatsächlich liest man, dass viele junge Männer in den USA ihren (katholischen und freikirchlichen) Gemeinden den Austritt erklären und in die Russisch-Orthodoxe Kirche eintreten. 50 Jahre nach der Einschätzung von Joachim Beckmann hat sich die Lage sehr verändert. Das zeigt das Problem, wenn Zukunftserwartungen auf der Grundlage der gegenwärtiger Verhältnisse "hochgerechnet" und fortgeschrieben werden.
"'Geist' meint, daß ein lebendiger Gott ist, der seiner Schöpfung Lebenskraft gewährt. (...) Gottes Geist ist Gott als der Handelnde."
schreibt Hendrikus Berkhof in seiner "Theolgie des Heiligen Geistes" (auf Seite 15), das auf Deutsch im Jahre 1968 erschien (Neukirchen.Vluyn 2. Auflage 1988). Ein Gott, der lebt und Leben schafft, davon ist in der Bibel die Rede, von der ersten bis zur letzten Seite. Der Geist und der Gott, der Leben erschafft und erhält, der ist auch ein Tröster-Geist. In einem Interviwe mit Bettina von Arnim in christmon las ich, dass sie gerne gläubig wäre. Aber sie kann nicht an den Gott glauben, der trösten kann. Und deshalb schreibt sie: "Ich muß Trost aus mir selbst schöpfen". Das nun kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Mensch das kann: sich selbst trösten. Ich finde den gedanken sehr tröstlich, dass da ein Gott ist, der den Menschen hilft, und der "mein Leben vom Verderben erlöst" (Psalm 103)
"Ich kann im Bedeutungsrückgang des Christentums nicht viel Gutes erkennen"
sagt der international bekannte Religionssoziologe Detlef Pollack im Gespräch mit Christina Weber (Süddeutsche Zeitung, Dienstag 22. Juli 2025, Nr. 166, Seite 12). Es ist seine Antwort auf die Frage, ob ihm etwas fehlen würde, "wenn Kirche und Religion verschwinden". Als ein Mensch, der von Karl Barth geprägt ist, würde ich diese beiden Begriffe, Religion ubnd Kirche, nicht so gleibgeordnet nebeneinander verwenden. In der Schule, im Comenius-Kolleg in Mettingen, habe ich meinen Studierenden immer gesagt: "Ich bin Christ - und deshalb nicht-religiös. Dann mußte ich erklären, dass es auf das Verständnis von "Religion" ankäme. Nach Marx ist sie bekanntlich "Opium des Volkes", was ich hunterprozentig unterschreibe. Nur ist die herrschende Religion nicht mehr "das Christentum", sondern "die Wissenschaft" - wie es sich in der Formulierung "follow the science" ausdrückt. Zur Erinnerung: Jesus sagt zuweilen zu Menschen: "Folge mich nach". Der eine soll "Religiösgründer" sein, das andere keine Religion, obwohl beide mit demselben Anspruch auftreten?
Bei Ulrike Herrmann lese ich: "Der Kapitalismus ist also ein totales System. Er durchdringt nicht nur die Wirtschaft, sondern das gesamte Leben." (Ulrike Herrmann, das Ende des Kapitalismus, Köln 2025, Seite 23). "Er prägt uns von der Wiege bis zur Bahe und ist längst in unser intimstes Privatleben vorgedrungen." (Seitre 23). Und eine solche "Welt-Anschuung" soll nicht den Kriterien einer Religion entsprechen? Ich halte also die Annahme, dass "Religion" an Bedeutung verliere, für falsch. Wir merken nur gar nicht mehr, dass wir im Denken und im Leben Teil eines "totales Systems" sind. Mehr Sieg geht nicht! Im Mittelalter spielte diese Rolle die Kirche. Pollack ganze Antwort: "Ich bin ein treuer Kirchenchrist (...) In meinen Augen ist im Christentum ein Bewußtsein von der Fragikität (Zerbrechlichkeit) unseres Lebens aufgehoben, das uns an unsere Grenzen gemahnt. Und zugleich eine große Hoffnung, die sich mit unserer Ohnmacht nicht abfinden will. Wenn es Kirche und Glaube nicht mehr gäbe, würde was fehlen. Wir sehen es im Osten Deutschlands, wo sich in weiten Teilen eine Mentalität der Selbstbehauptung und des Sich-Beschwerens durchgesetzt hat - eine wirklich unchristliche Form der Undankbarkeit."
"Mich interessiert nicht mehr, was die Leute sagen",
sagte neulich ein Presbyter aus unserer Nachbarschaft. Und fügte sinnngemäß an: Wir sollten als Kirche und Gemeinde tun, was unser Auftrag ist und was wir für richtig halten, unabhängig davon, was die Menschen davon halten. Und jeder unser Angebot für verheißungsvoll hält, ist eingeladen zu kommen und sich "der Sache Jesu" anzuschließen. Die Anderen sollen ihr Glück anderswo suchen - und hoffentlich finden.
Ich finde diese Position richtig. "Die Leute" gibt es (sowieso) nicht - nur noch viele Einzelne: Einsame und Gesellige, Alte und Junge, Suchende und Zufriedende, intensive social-media-Nutzer und solche, die das mehr und mehr "abschalten", weil sie das Segensreiche und Verheißungsvolle daran nicht mehr erkennen können. Und irgendwo in dieser Gemengelage gint es "die Kirche", die "das Evangelium" verkündigt. "Wer Ohren hat zu hören, der höre" auf Jesus. Und wem andere Stimmen attraktiver erscheinen, der und die mögen diesen Stimmen folgen. In welchen Worten der "Heilige Geist" des Lebens wirkt und wo eher der Geist des Verderbens spricht, wird sich eines Tages zeigen. Wir in der Kirche werben jeden Tag für die eine Stimme: das ist die des Herrn Jesus.
"Das Zeitalter, in dem die Kirche zugleich das Fundament und die Krönung des gesellschaftlichen Aufbaus darstellte, in welchem sich die Gesellschaft als Kirche wußte, als Gemeinde des Glaubens, und in dieser Form die Sinngebung und die Legitimation ihres Daseins empfimng, ist versunken."
schreibt Heinz Dietrich Wendland im Sommer 1955 (Die Kirche in der modernen gesellschaft, Hamburg 1955, Seite 12). Und kommt am Ende seines Buches zu einer aufregenden Einschätzung - 1955! Wir erleben "eine Entleerung von substantiellen Lebensgehalten, Geschichts- und Traditionslosigkeit; das Massenleben ist trotz allen technischen Wissens und Können, trotz der Flut des technischen Lichtes ein Leben im Dunkel, ohne Woher und Wohin. (...) Die Propaganda der Ersatzreligionen und Organisationen formt aus ihren Überresten Ersatzprodukte, in denen Unwahrheit und Halbwahrheit ein kaum noch zu durchdringendes Gemenge bilden." (194)
Schön auch aus einem Vorwort des Jahres 1972: "Heute die Frage nach der Zukunft der Kirche stellen heißt wissen, dass das unter diesem Namen bekanntgewordene Phänomen eine größe der Vergangenheit ist" - so in "Kirche ohne Zukunft? Bilanzen und Prognosen, 1972, Seite 7). Es scheint also so zu sein, dass die Kirche ihre Zukunft immer schon hinter sich hat. Gleichzeitig bleibt diese Kirche ein interessantes Pgänomen jeder Gegenwart, weil sie nicht von Bilanzen und Prognosen lebt, sondern von auferstandenen und darum allezeit lebenden HERRn dieser Kirche: Jesus Christus.
"Ich interpretiere diese rechtspopulistische Welle deshalb schon auach als Krankheitssymptom einer Gesellschaft ohne Gott"
sagt der Politikwissenschaftler Andreas Püttmann, ziteiert in der Süddeutschen Zeitung vom 19.20 Juli 2025, Seite 3) Als die "schönsten Früchte des Christentums nennt er: "Empathie, Demut und Gelassenheit. Ganz anders das Signum der Rechtspopulisten: Empathielosigkeit, Hybris und Daueraufgeregtheit." Der Autor des Artikels "Jetzt hilft nur noch beten" zitiert den Wissenschaftler weiter: "Dass die Deutschen den Glauben verlieren, liegt für ihn am Massenwohlstand. (...) Wer braucht schon Gott, wenn man sich gegen alles versichern kann?"
Josef Wirnshofer stettlt fest: "Das land verliert seinen Glauben". Und damit einhergehend stellt sich "die große Frage: Wie verändert das eine Gesellschaft?" - Die Antwort wird sich in den nächsten 10 Jahren aufdrängen. Wir werden sehen, was passiert. Klar ist: In Deutschland wurden "seit dem Jahr 2000 schon 611 Kirchen geschlossen". Der Grund ist klar: Weniger Christen brauchen weniger Kirchen. Es steben mehr Christenmenschen als geborenb werden. Und: "2024 verließen etwa 321000 Menschen die katholische, 346000 die evangelische Kirche." Das ist mit 667000 in eta die Zahl der Katholiken im Bistum Essen. Wären alle katholisch gewesen ud alle im Biszum Essen ansässig, wäre dieses Bistum ninnem eines Jahres verschwunden. Bei der Gründung des Bistums 1958 "waren esmehr als 1,4 Millionen Katholiken, 2024 nur noch 638 262. (...) Betrieb das Bistum einst 361 Kirchen, sind es im Moment nioch um die 160."
Wir sind also unterwegs in ein Land mit deutlich weniger Christen ud mit viel weniger Kirchen. Statistiken sagen, dass religiöse Menschen sich häufiger ehrenamtlich engagieren (31 % gegenüber 17 % ohne religiöse Soziasisation."Beim Ehrenamt, sagt Pützmann, reich ein Blick auf die Eindruchtungen, die die Kirchen betreiben. Von der Schuldnerberatung über die Eheberatung, der Flüchtlingshilfe über die Drogenberatung, Chöre, Orchester Pfadfinder. 'Wir drohen in den Staatinfarkt zu laufen, wenn das professionelle und ehrenamtliche Engagement der Kirchen wegbricht.'" - Panikmache? Oder ist die Einschätzung richtig? Wir werden sehen.
Klar ist, "dass der Glaube nicht ur eine Sache für den Sonntagvormittag ist, und dann verpufft, sondern dass er eine gesinnungsprägende und verhaltenssteuernde Wirkung hat.'" - Die Wirkungen haben ihren Grund allerdings im Gottesdienst und "im Herrn" und seinem Tag - dem Sonntag.
"Der Satz dürfte zu wagen sein: auch eine zunächst die äußere Gestalt betreffende Kirchenreform muß aus der inneren Notwendigkeit des Lebens der Kirche selbst, sie muß aus dem Gehorsam gegen das Wort Gottes hervorgehen, oder sie ist keine Kirchenreform."
Karl Barth schreibt das im ersten Heft der "Theologischen Existenz heute" vom 1. Juli 1933. (neu herausgegeben von Hinrich Stoevesandt, München 1984, Seite 33/34). Barth schreibt das, als "die politische Bewegung dieses Jahres (1933!) die entscheidenen ersten Etappen ihres Sieges bereits hinter sich hatte".
Dei "Geist der Zeit" machte immer schon Eindruck auf die Kirchen, die sich zu "Reformen" gezwungen sieht - oft aner nicht "aus dem Gehorsam gegen Gottes Wort" hervorgehend, sondern dem Druck der Verhältnisse geschuldet.
Barth meint: "Alles Geschrei um und über die Kirche wird die Kirche nicht retten. Wo die Kirche ist, da ist sie schon gerettet. Keine noch so schwere Vergewaltigung wird sie anrühren". Das Wort "Vergewaltigung" ist hier noch nicht sexuell konnotiert, sondern meint: wo der Kirche "Gewalt angetan" wird durch äußere Gewalteinwirkung. Barth in "heraufordernden Zeiten" (wie man heute so schnell sagt) bleibt klar und kämpferisch: "Das Ganze der Kirche ist immer da, wo zwei oder drei versammelt sind in seinem Namen." Und: "Wo das Bekenntnis ist, da ist die eine, heilige Kirche im Kampf mit dem Irrtum, in welchem sie nicht unteregen wird." (81)
Zur Zeit erscheinen einige Bücher, die den gesellschaftlichen Irrsinn und Irrtum zum Thema machen.
So schreibt Hanna Bethke: "Heute sieht es so aus, als sei der Geist für die Größe des Anderen (der Instanz Gott) nicht mehr offen. Wo Narzismus als Ersatzreligion dominiert, gibt es keinen Platz für Demut." (H. Bethke, Vom Glauben abgefallen. Eine Antwort auf die Kirse der evangelischen Kirche, München 2025, Seite 177) Als Gewährsleute für die zerstörerische Dynamik dieser Haltung führt sie Charles Taylor und Raymond Geuss an und kommentiert: "Wenn die Verwirklichung des eigenen Ichs über allem steht und die Richtschnur des Handelns und Urteilens ist, ist es um das Gemeinwohl und jedes gemeinschaftsbezogene Wirken schlecht bestellt." (178) Der eben erwähnte Geuss "hält die 'radikale Ablehnung jeglicher Form von Transzendenz' für die Ursache dieser Entwicklung. Sie finde eine Entsprechung 'in der vollständigen Selbstzentrierung. So führt das 'Mir geht nicht über Mich' zum Anspruch 'Ich beziehe alles auf Mich". (178) -
Bei einer Runde von politisch Verantwortlichen, in der ich zu Gast sein durfte, frage einer aus der Runde die Kirche kritisch an: Warum laufen ihr die Mitglieder weg? Warum tut sie nicht mehr, um wieder mehr Steuern einzunehmen (mit denen sie gesamtgesellschaftliche Wohltaten finanziert). Meine Antwort ist: Die "Welt" ist selbst zur "Religionsgemeinschaft" geworden, in der sich alles "um das Selbst" (um mich) dreht. Der Hinweis auf die "Sache der Kirche", die ihren Grund in Jesus Christus und dem Gott Israels hat, wird als Angriff auf die eigene Identität empfunden. Den kann man (psychologisch erklärlich) nur abwehren! Damit kann man weder gut Kirche sein noch gut "Staat machen". Das dämmert langsam sogar "säkularen Menschen". Was ihnen nicht klar ist: Alles Aufklärerische, das das Heil im "Fortschritt" (der Technik) sucht, ist selbst zur (fundamentalistisch denkenden und agierednen) Religion geworden. Eina andere Aufklärung täte hier not. Aber dazu gibt das Bildungssystem derzeit wenig Hoffnung....
Ähnlich Bernd Stegemann, der den herrschenden "Weltgeist" als gnostische Religion identifiziert und schreibt: "Der gnostische Glaube radikalisiert die politischen INhalte zu Heilslehren und formt aus ihnen einen weltlichen Fundamentalismus. Der gefährliche Erfolg derr falschen Propheten besteht darin, dass sie die schlechte Seite der Religion, den fanatischen Glauben, mit dem Hochmut der rationalität, die Welt nach einem Plan neu zu bauen, verbinden. Die säkularen Seelen sind nicht mehr empfänglich für das Fremde der Transzendenz, sondern sie werden zum Einfallstor für die Mainpulationen der Ideologien, die sich zur robusten Überzeugung einer Glaubenswahrheit verfestigen." (Bernd Tegemann, Was vom Glauben bleibt. Wege aus der atheistischen Apokalypse. Stuttgart 2024, Seite 112)
"Es ist alles dafür zu tun, daß die Evangelische Kirche eine von unten her aufgebaute Gemeindekirche wiederentdeckt wird, die ihre nachbarschaftliche Gestalt in den Ortgemeinden als Kirche der kurzen Wege, ihr Gesicht in festlich gefeierten Gottesdiensten, ihren Klang in den zum Gebet rufenden Glocken (...) und ihre Ohren in der Aufmerksamkeit für Gottes gegenwart gewinnen".
So beschreibt Christian Möller den ersten Schritt hin zu einem Aufwind in der Kirche. Die Sätze finden sich im Heft 10 des Deutschen Pfarrerblattes im Jahr 1999 (auf Seite 584). Möller reagiert da auf den "Fundamentalismus" von Kirchenleitungen jener Zeit, die die Kirche nach Art von McKinsey zu einem "Unternehmen" umbauen wollen. Die "Sprache der Plastikwörter (dieses marktliberalen Fundamentalismus) ist der prägende Ausdruck eines Denkens, das von oben nach unten, von der Leitungsebene über die mittlere und die unterste Ebene etwas durchsetzen will, was den oft so verschiedenen Lebensrhythmus und die krautige Vielfalt der Ortsgemeinden egalisiert. Gegen das diktatorische Gefälle dieses technokratischen Planungsdenkens (..) erscheint mir der hierarchische Geist eines katholischen Bistums noch eine relativ gnädige Variante zu sein." Was Möller im Oktober 1999 nicht wissen konnte: gut 8 Monate später bringt die westfälische Kirche ihre "Reformvolage" unter dem Titel "Kirche mit Zukunft" heraus. Im Kirchenkreis Tecklenburg war das für viele ein Signal, theologisch (und innerlich) in den Widerstand zu gehen gegen diesen Ungeist von einst. Gerne erinnere ich mich an engagierte Gespräche mit Jürgen Böhne, der leider kurze Zeit später einem Herzversagen erlag.
"Christliche Lebensführung beginnt mit Gottes Erbarmen."
lese ich bei Ralph Kunz (in den Göttinger Predigtmeditationen von 2019, Seite 351). "Es ist eine Ethik nach dem 'Umsturz im Herzen Gottes'. Man muß schon blind sein oder ein paar Balken im Auge haben, wenn man die Schönheit und Klarheit dieser Ethik nicht sieht und die Energie nicht spürt, die aus ihr hervorgeht."
Diese Erwägungen stehen im Zusammenhang mit Worten Jesu, die doppelt überliefert sind: einmal in der sogenannten "Bergpredigt" im Matthäus-Evangelium und in der Feldrede bei Lukas. Der Predigttext für heute steht bei Lukas im 6. Kapitel, die Verse 36-42. Sie beginnen so: "Seid barmherzig, weil euer Vater im Himmel barmherzig ist".
"zukunftswillige Kirche ist 'sterbende Kirche'"
lese ich in der "Kirche des Wortes" (Wirkungen und Wirksamkeit des Evangeliums, von Ulrich Körtner, Leipzig 2025, Seite 132)
Die Formulierung stammt von W. Dantine, der evangelische Theologie im überwiegend katholischen Österreich lehrte und dort eine "Theologie der Diaspora" entwickelt hat. Das Wort "diaspora" meint ursprünglich "zerstreut sein" und bezeichnet die Lage der Christen in einer nicht-schristlichen Umwelt. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland sind keine Christen (mehr). Wir leben in einer "nach-christlichen" Gesellschaft. Unübersehbar erscheinen wir Christen hier zunehmend als "Fremde". Christen "passen nicht" ins Schema dieser Welt, nicht in ihr Lebensmuster und ihre Denkgewohnheiten. Anders als viele Menschen "in der Welt", die nur "der Welt" vertrauen, sehen Christen eine Zukunft für sich. Sie sehen diese Zukunft im Himmel und setzen sich doch für die Zustände auf Erden ein.
Ein Widerspruch? Überhaupt nicht! Jesus kommt von Gott, vom Himmel her - und geht dahin zurück. Auf Erden aber setzt er sich für eine "bessere gerechtigkeit" ein, kämpft für Menschen ud ihre Heilung, zeigt ein Leben, das Menschen erfüllt. Rudolf Bultmann hat dafür ein Wort gefunden, das später Papst Benedikt übernahm: "Entweltlichung". Das meint nicht, dass Christen sich der Welt enziehen. Gott ist ja mit Jesus gerade in die Welt gekommen, um diese verlorene Welt zu retten. Wir leben "in der Welt" und mit der Welt; aber wir sind "nicht von dieser Welt", sondern "von Gott". Diese Sicht hat uns Jesus geschenkt, an dessen Wort wir uns halten. Er sagt: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als durch mich!" - So ist es.
"Ich denke, dass die Tradition die Macht hat, dich in Kontakt mit dem Heiligen zu bringen. Sie gibt dir Zugang zu einem weiteren Spektrum an Emotionen, die einen anderen Rhythmus haben als die säkukulare Moderne, die durch Hast und Ablenkung geprägt ist. - Ich denke, dass besonders liturgische Praktiken dazu geeignet sind, dich durch diesen Kontakt mit deinen Emotionen mitfühlender zu machen und so resilienter gegen reaktionäre Ideen."
Das sagt Haela-Ravenna Hunt-Hendrix,von der ich noch nie gehört hatte. Das liegt gewiß daran, dass ich keine Ahnung habe von der Metal-szene. Von Heavy Metal habe ich schon mal gehört, aber von Black-Metal noch nicht. "Der Freitag" (Nr. 27 vom 3. Juli 2025) und Till Hahn klären auf: Ein "gewalttätiger Gründungsmythos" stehe im Hintergrund der Szene, denn 1993 wurde der Frontmann der norweggischen Band Mayhem von eimem Bandmitglied ermordet. "Zuvor hatten Personen aus dem Umfeld der Szene durch Brandstiftung an historischen Holzkirchen und den Mord an einem schwulen Mann auf sich aufmerksam gemacht." Das vom eigenen Frontmann ermordete Mitglied der Band hatte Sympathien für "faschistische Ideologie".
Hunt-Hendrix ist in allem das gegenteil zu dieser Form des "Black Metal". Sie ist "Frau, trans, links, christlich". Außerdem ist sie die Verfasserin des Manifestes "Tranczendental Black Metal: A vision of Apocalyptic Humanism" (etwa: Transzendentales 'Black Metal': Eine Vision apokalyptischen Humanismus). Black Metel teilt und produziert eine grundsätzlich nihilistische Weltanschauung. Die Musik von Hunt-Hendrix setzt sich diesem Nihilismus aus, um dann - ganz im Sinne Hegels - das Verneinende zu verneinen und in "als letzten nihilistischen Akt" die Aufhebung des Nihilismus zu vollziehen. Der philosophische Akt ist auch ein politischer, denn Black Metal sei "eine Kritik der Moderne", daran, wie "sich Menschen im Kapitalismus selbst erfahren: schlimmstenfalls als maskulanistisch, raktionäre, gewalttätig. Es geht darum, diese reaktionäre Fantasie des Metal zu unterlaufen und den Raum zu öffnen für Anerkennung von Angesicht zu Angesicht, für gegenseitige Fürsorge" - sagt die christliche trans-Frau Hunt-Hendrix. Hegel habe diese Idee "die Wahrheit des Christentums" genannt.
In seiner Besprechung des Konzertes i Hamburg resümiert Till Hahn: "Zumindest für diesen Abend haben wir ein Gefühl dafür, wie eine Welt aussehen könnte, die nicht auf individuelle Stärke, sondern auf gegenseitige Verbundenheit fußt. Das ist die Vision des apokalyptsichen Humanismus, die sie mit ihrer Musik ins Werk setzen will: 'Der Glaube an die Möglichkeit von Veränderung und Erlösung jenseits von dem, was die alltägliche Politik zu lesiten vermag und die Üerzeugung, dass diese messiansiche Vision durch Kunst, Wissenschaft und Philosophie erreichbar ist."
Für Hunt-Hendrix steht dabei außer Frage: Ort dieser Wahrheit ist die (christliche) Theologie in der Gestalt eines Konzeptes "des 'emanzipativeb Traditionalismus'".
Wieder was gelernt, diesmal schon am Donnerstag im "Freitag" - auf Seite 21 in der Rubrik Kultur.
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"Die wirksamesten Glaubenspartikel sind von der Religion in die Politik gewandert."
aus Bernd Stegemann, Was vom Glauben bleibt. Stuttgart 2024, Seite 147
Der christliche Glaube bietet große Versprechungen. Sie heißen in der Sprache der Bibel: Verheißungen. Der "Frieden auf Erden" gehört dazu (in Kombination mit dem "Ehre sei Gott!") . Gerechtigkeit. Die Überwindung des Todes. In einer Bitte konzentriert an den Vater im Himmel gerichtet: "dein Reich komme!"
Die Politik macht große Versprechungen. Halten kann sie sie oft nicht. Gerade ist viel vom "Wortbruch" die Rede. - Vielleicht einfach mal wieder im Gottesdienst reinschauen und hören, was da so gesagt wird. Schaden tut's jedenfalls nicht!
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Amerikaner und Amerikanerinnen teilen zuweilen
"eine radikale Weltanschauung. Das Christentum war und ist das zentrale Thema seines Lebens"
(von Russel Vougtht ist die Rede)
in David A. Graham, Der Masterplan der Trump-Regierung. Wie ein radikales Netzwerk in Amerika die Macht übernimmt, Frankfurt 2025
Autoren und Jounalisten haben zuweilen nur noch wenig Ahnung vom christlichen Glauben. Ich weiß nicht, wie es bei diesem Autor aussieht. Mir stach trotzdem die Kombination ins Auge von "radikaler Weltanschauung" und Christentum. Graham will damit die reaktionären Haltungen der Denker hinter Trump charakterisieren in polemischer Absicht. Tatsächlich bietet Jesus mit seiner Botschaft der Feindesliebe und der Versöhnung und der Aussicht und dem Anbruch der Herrschaft Gottes in dieser Welt eine radikale Sicht auf die Welt. Nicht "Wie du mir, so ich dir" ist die ethische Haltung, sondern: wie Gott mir Barmherzigkeit erwiesen habe, so ich meinen Mitmenschen - egal woher er kommt und wer er ist, also "ohne Ansehen der Person". Radikal. Und christlich. Nächsten Sonntag mehr davon im Gottesdienst (Predigttext Lukas 6,36-42) - Das Christentum ist auch das beglückende Thema meines Lebens.
Wobei: was ich über Trump denke, ist zuweilen radikal unchristlich....Dann muß ich mich selbst "zur Ordnung" Jesu rufen.
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